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1. Einleitung |
2. Objekte für Balkon-Astronomen |
3. Reduzierung des lokalen Seeings |
4. Ausrüstung für Balkon-Bedingungen |
5. Sonstiges Zubehoer |
6. Astrofotografie auf dem Balkon |
7. Schlussbetrachtung |
Astronomische Beobachtungen auf sehr hohem Niveau erfordern Beobachtungsplätze mit extrem dunklem Himmel und einer ruhigen Luft. Solche Bedingungen findet man auf dem Land fernab von Wohngebieten oder im Gebirge. Viele Stadtbewohner suchen aus diesem Grund eine Ausrüstung, die die kompromißbehafteten Bedingungen auf dem heimischen Balkon bestmöglich nutzen kann. Dieser Artikel schildert die Nachteile, aber auch Möglichkeiten der Balkonastronomie und gibt Tipps zur Auswahl geeigneter Geräte. Bei einer gut durchdachten Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten sind auch vom Balkon aus gute astronomische Beobachtungen möglich.
Aufgrund des Beobachtungsplatzes gibt es generell Einschränkungen bezüglich der beobachtbaren Objekte. Aufgrund der Lichtverschmutzung sind Nebel und Galaxien nur extrem schwer bis gar nicht zu erkennen. Am Stadtrand kann man jedoch die hellsten Exemplare wie den Andromeda-Nebel oder den Ringnebel in der Leier oder den großen Orion-Nebel eingeschränkt beobachten. Das gilt jedoch nur für eine Handvoll nebulöser Objekte. Kugelsternhaufen zeigen mit großen Öffnungen bereits den "Nadelkissen-Effekt", sie sind jedoch sehr dunkel. Nach Erfahrung des Autors benötigt man von Stadtrandgebieten aus für vernünftige Deep Sky-Beobachtungen Teleskope auf Volkssternwarten-Niveau, also mit etwa 40 bis 50 Zentimeter Öffnung.
Unter Balkonbedingungen sind helle Objekte passabel bis gut zu beobachten. Hierzu zählen zunächst die Sonne, der Mond und die Planeten mit Ausnahme von Pluto. Doppelsterne und Offene Sternhaufen sind ebenfalls von Balkonen aus sichtbar. Aufgrund der künstlichen Himmelsaufhellung zeigen sie sich jedoch weniger sternreich als unter optimalen Bedingungen. Einschränkungen gibt es bei der Beobachtung dieser Objekte von Balkonen aus vor allem aufgrund der Thermik. Das unmittelbar angrenzende Gebäude und der Balkon selbst geben Wärme ab. Dieses thermische Verhalten führt zu Luftturbulenzen und somit zum gefürchteten "Seeing", das ein waberndes und mehr oder weniger unscharfes Bild im Teleskop zur Folge hat. Dieses Seeing existiert natürlich auch fernab von Wohnsiedlungen, innerhalb selbiger tritt es jedoch sehr verstärkt auf.
Man kann das lokale Seeing zwar nicht ausschalten, es jedoch mit ein paar Verhaltensregelm ein wenig reduzieren. Die Balkontür und Fenster sollten komplett geschlossen werden. Diese Luftspalten sind Ausgangspunkte von Warmluftströmungen, die ein starkes lokales Seeing verursachen. Einen steinernen Boden kann man mit kaltem Wasser abspritzen. Dies mindert die Wärmeabgabe, die wiederum für Seeing-Effekte sorgt.
Möchte man auf dem Balkon Himmelsbeobachtungen durchführen, geben die architektonischen Gegebenheiten die Rahmenbedingungen für die Teleskopwahl vor. Ale erster Schritt muss der Balkon, insbesondere die Schmalseite, abgemessen werden. Sie bestimmt nämlich die maximale Länge des Teleskoptubus. Einerseits muss sich der Beobachter hinter dem Teleskop frei bewegen können. Auf der anderen Seite darf der Tubus im Falle von Newton-Reflektoren nicht so lang sein, dass man sich beim Blick durch das Okular über die Brüstung lehnen muss. Hierbei besteht eine große Sturzgefahr. Nach Erfahrung des Autors können Teleskoptuben mit mehr als 90 Zentimeter Länge auf Balkonen nur sehr selten sinnvoll genutzt werden. Teleskope mit kompakten Bauweisen sind somit grundsätzlich im Vorteil. Die Abbildung zeigt einen Refraktor mit 900 Millimeter Brennweite auf dem Balkon des Autors. Man beachte die Balkonmöbel als Maßstab. Die Aufnahme macht das Platzproblem, das lange Teleskoptuben mit sich bringen, deutlich. Stellt man zwei Stativbeine parallel zur Brüstung dicht an der Brüstung auf, lässt sich das Gerät auf dem abgebildeten Balkon gut einsetzen.
Die ansonsten vielseitig bewährten Dobson-Teleskope sind auf dem Balkon in aller Regel nur sehr eingeschränkt nutzbar. Da sich das Achsenkreuz dicht am Boden befindet, stoßen die Tuben schnell in steilem Winkel an die Balkonbrüstung. Die Folge ist, dass nur solche Objekte beobachtet werden können, die relativ hoch am Himmel stehen. Das wird bei Objekten des Sonnensystems, die sich oft in mittleren Höhen über dem Horizont befinden, schnell zum Problem. Bei einem Balkon-Teleskop sollte sich das Achsenkreuz der Montierung also etwa auf Höhe des Randes der Brüstung befinden, dann können auch tiefer stehende Objekte beobachtet werden, und der sichtbare Himmelsausschnitt wird optimal ausgenutzt. Man kann bei einem Dobson in Grenzen Abhilfe schaffen, indem man die Rockerbox auf ein stabiles Podest stellt. Der Nachteil besteht darin, dass dann für zenitnahe Beobachtungen ggf. eine Leiter benötigt wird. Das erhöht die Sturzgefahr erheblich.
Für Balkonbeobachtungen empfehlen sich also entweder parallaktische Montierungen oder azimutale Montierungen, jeweils mit einem ausfahrbaren Stativ. Die Abbildung zeigt eine parallaktische Montierung mit einem 8'' ACF-Tubus (baugleich mit einem Schmidt-Cassegrain). Bei einer Deutschen Montierung muss der Platzbedarf der Gegengewichtsstange berücksichtigt werden.
Die eingangs beschriebenen Objekte, die sich von Balkonen aus gut beobachten lassen, sind mit Ausnahme der offenen Sternhaufen am besten mit geringen Lichtstärken zu beobachten, also mit f/8 bis f/15. Solche Optiken werden als äusserst kompakte Bauweisen konzipiert. Die kompakten katadioptrischen Teleskope als Schmidt-Cassegrains oder Maksutovs sind daher geeignete und bewährte Balkon-Teleskope (siehe obige Abbildung). Befindet sich der Tubus in einer azimutalen oder parallaktischen Gabelmontierung, ist das Platzproblem praktisch kein Thema mehr. Bietet ein Balkon überhaupt keinen Platz für größere Stative, haben sich die kleinen Tischstative für kleine Maksutovs mit ca. 90 Millimeter Öffnung bewährt. Diese Kombination muss man in diesem Fall trotz ihrer Einschränkung aufgrund der relativ kleinen Öffnung als Geheimtipp ansehen.
Eine mögliche Alternative, die zudem gut transportabel ist, sind kurzbrennweitige ED-Refraktoren mit 80 bis 90 Millimeter Öffnung. Diese erlauben eine ausreichende Vergrößerung für Mondbeobachtungen, aber auch große Gesichtsfelder für offene Sternhaufen. Bei der Planetenbeobachtung muss man jedoch Kompromisse bei der Auflösung eingehen, die der relativ kleinen Öffnung geschuldet sind. Solche Refraktoren lassen sich je nach Größe und Gewicht auch auf einer etwas leichteren azimutalen Montierung betreiben.
Das zu Beginn erwähnte Problem der Sichtbarkeit von Gasnebeln kann mit speziellen Filtern zumindest teilweise gemildert werden. Für uns sind insbesondere zwei Filter von Interesse: der UHC- und der O III-Filter (sprich: "O drei").
Der UHC-Filter dämpft vor allem das Licht der Quecksilber- und Natriumdampflampen und das Airglow, jedoch auch das Licht anderer Wellenlängen. Die H-beta und O III-Wellenlängen passieren den Filter. Das Ergebnis ist eine Kontraststeigerung von Gasnebeln, die primär in diesen Wellenlängen leuchten, also Emissionsnebel, Supernova-Überreste und Planetarische Nebel. Das Licht der Sterne wird jedoch abgeschwächt, da das von ihnen ausgestrahlte Licht teilweise Wellenlängen aufweist, die absorbiert werden. Bei Galaxien, Offenen Sternhaufen und Kugelsternhaufen bringt der Filter aus dem gleichen Grund keinen Gewinn.
Der O III-Filter ist ein Spezialfilter für Objekte, die im O III-Licht strahlen, also Planetarische Nebel und Supernova-Überreste. Die Funktionsweise ist prinzipiell mit der des UHC identisch. Jedoch erscheinen die O III-Objekte kontrastreicher, der der vom Filter passierte Wellenlängenbereich noch enger ist als beim UHC. Solche Filter bringen sowohl bei der visuellen Beobachtung als auch bei der Fotografie von Deep Sky-Objekten aus der Stadt heraus beachtliche Ergebnisse.
Bei der Astrofotografie vom Balkon aus verhält es sich grundsätzlich ähnlich wie bei der visuellen Beobachtung. Die Lichtverschmutzung und verstärkte Luftturbulenzen in Balkonnähe lassen nur eingeschränkt astrofotografische Aktivitäten zu. Dennoch kann man bei guter Beherrschung der Technik eindrucksvolle Ergebnisse erzielen.
Himmelsaufnahmen aus Wohngebieten heraus sind in der Regel je nach Resthelligkeit des Himmels bereits nach wenigen bis maximal 30 Sekunden ausbelichtet. Das bedeutet, dass nach dieser Belichtungszeit nur noch die Hintergrundhelligkeit die belichteten Himmelsobjekte überstrahlt. Das Foto erscheint dann mit einem schmutzig grünen oder grauen Farbstich. Aus Stadtrandgebieten heraus sind mitunter Belichtungszeiten von wenigen Minuten möglich. Einen Ausweg bieten die bereits oben erwähnten Schmalbandfilter. Bei Emissions- und Reflexionsnebeln kann man mit solchen Filtern auch aus der Stadt heraus beachtliche Ergebnisse erzielen, da fast nur die Wellenlängen, in denen das Objekt leuchtet, den Filter passieren. Bei Galaxien und Kugelsternhaufen und Offenen Sternhaufen bringt er nichts, da die Sterne der Welteninseln und Sternhaufen im gesamten Spektrum leuchten.
Bei der Fotografie von Mond und Planeten spielt die Lichtverschmutzung keine Rolle. Hier ist die Luftunruhe, also das Seeing, der Störfaktor. Seeing gibt es prinzipiell auch an allen Beobachtungsplätzen fern von Wohngebieten. In letzteren fällt es aufgrund der Thermik von Gebäuden und Straßen jedoch stärker aus. Erfahrungsgemäß ist das Seeing in der zweiten Nachthälfte und am frühen Morgen besser, wenn ein großer Teil der gespeicherten Wärme über die Atmosphäre ins Weltall abgegeben wurde. Die Fotografie von Mond und Planeten sollte also, sofern man die Zeit dafür hat, in diese Zeit gelegt werden.
Die digitale Technik ermöglicht es in Grenzen, die Seeing-Einflüsse zu reduzieren: Bei Mond und Planeten wird heute meistens mit einer Webcam oder einer technisch ähnlichen Kamera, z.B. einer Überwachungskamera, die mit einem entsprechenden Adapter an den Okularauszug des Teleskops befestigt wird, ein mehrminütiges Video des Objekts aufgenommen. Eine entsprechende Software zerlegt dieses Video in seine Einzelbilder, sucht die besten Aufnahmen aus (das wird oft auch manuell vorgenommen) und mittelt diese zu einem Einzelbild, um das Hintergrundrauschen zu minimieren. Dieses sog. Summenbild wird dann geschärft und geglättet.
Da das Seeing statistisch verläuft und nie absolut gleichmäßig ist, gibt es öfters sehr kurze Momente, in denen das Seeing gut bis sehr gut ist. Bei einem Video mit etwa fünf Minuten Dauer (mehr ist aufgrund der Rotation der Planeten nicht sinnvoll, Details werden dann verschmiert), gibt es fast immer ein paar Bilder, bei denen eine gute bis sehr gute Qualität erreicht wird. Diese werden dann addiert und gemittelt. Je nach Stärke des Seeings gibt es unterschiedlich viele gute Einzelbilder pro Video, und es kommt auch vor, dass selbst hiermit kein gutes Bild gelingt, wenn das Seeing zu schlecht ist. Auch bei dieser Technik ist der Balkon gegenüber anderen Beobachtungsplätzen im Nachteil.
Das Foto zeigt ein Mondfoto, das auf dem Balkon des Autors entstand. Es handelt sich um eine Fokalaufnahme mit einer digitalen Spiegelreflexkamera. Beim Klick auf das Bild öffnet sich eine große Version.
Ist man bereit, die standortbedingten Kompromisse in Kauf zu nehmen, sind vom heimischen Balkon aus sind durchaus gute astronomische Beobachtungen möglich. Der angehende Sternfreund sollte sich also nicht entmutigen lassen, wenn nur der Balkon als Beobachtungsplatz zur Verfügung steht. Man sollte sich jedoch mehr als an anderen Beobachtungsplätzen ruhig verhalten, da die Nachbarn nur ein paar Meter entfernt sind.